Geschichte der Salonorchester im Engadin

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Zur schriftlich überlieferten Musikgeschichte des Engadins, die spätestens mit Durich Chiampels "cudesch da Psalms" (1562) oder Gian da Salis' Lautentabulatur (ca. 1563) beginnt, gehört auch das Phänomen der Salonorchester. Diese spielten ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Verbreitung der Tonträger in allen grösseren Hotels und Kursälen. Überlebt haben drei: die Camerata Pontresina, das Salonorchester St. Moritz und das Ensemble des Hotels Waldhaus in Sils. Trotz grosser Popularität und ehemaliger Verbreitung der Salonorchester im Engadin ist ihre Geschichte weitgehend unbekannt.

Das Projekt wird anhand von Archivdokumenten möglichst umfassend und aus allen Perspektiven die Geschichte der Salonorchester im Engadin zu rekonstruieren versuchen. Fusionierungen von Salonorchestern, Veränderungen des Repertoires, Verbindungen der Salonorchester zu Musikszenen Italiens und Osteuropas oder die Funktionen der Salonorchester bei Bällen und Filmaufführungen sollen nicht weniger erforscht werden als die rätoromanische Rezeption der Salonorchestermusik, die Wechselwirkungen zwischen den Salonorchestern und einheimischen Musikgruppen, die ökonomische und soziale Situation der Musiker im Hotelgefüge, die Aufführungen während den Weltkriegsjahren oder die musikphilosophische Frage, was Salonmusik sein könnte. Eine ab Noten gespielte Musik, die nach Improvisation verlangt, da zu wenig geübt werden kann? Eine seltsame Zusammenfassung von Opernarien ohne Sänger/innen? Eine Hintergrund- und Möbelmusik? Oder etwas anderes?

Ziel des Projektes (Vorrecherchen: 2019-2020, Projekt 2020-2023) ist ein wichtiger Forschungsbeitrag zur Musikgeschichte des Engadins und Graubündens, sowie, pars pro toto, zur Salonmusik- und Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts insgesamt. Geplant ist eine Monographie, für 2022 eine internationale Tagung im Hotel Reine Victoria in St. Moritz, sowie eine in Zusammenarbeit mit den Studenten/innen des musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Basel erarbeitete Ausstellung, die 2022 im Museum Alpin in Pontresina und 2023 in Basel gezeigt wird.  

Das Forschungsprojekt findet in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kulturforschung Graubünden statt.

Bild: Salonorchester im ersten Prospekt des Hotels Walther, Pontresina

Mitarbeitende

Projektleitung 
Prof. Dr. Matthias Schmidtmatthias.schmidt@clutterunibas.ch
Dr. Mathias Gredigmathias.gredig@clutterkulturforschung.ch

 

Eiskonzert in Pontresina

Eiskonzert in Pontresina

Förderer und Kooperationspartner

fag

Tagung und Ausstellungseröffnung, 24.–25. Juni 2022

Noch heute existieren im Engadin neben verschiedenen kleineren Ensembles zwei Kurorchester, die im Sommer regelmässig auftreten: das Salonorchester St. Moritz und die Camerata Pontresina. Dies ist eine Seltenheit für den gesamten europäischen Alpenraum und ein Alleinstellungsmerkmal. Grund genug, der bisher kaum erforschten Geschichte der Salonorchester im Engadin und im weiteren Alpenbogen eine international besetzte Tagung und eine Ausstellung zu widmen. Das reichhaltige Programm fand am Freitag, den 24. Juni 2022 (14.00 bis 22.00 Uhr), im Hotel Reine Victoria in St. Moritz statt, am Samstag, 25. Juni 2022 (ganztags) in Pontresina (Taiswald, Hotel Saratz und Museum Alpin) statt und umfasste neben Konzerten und Referaten zu zahlreichen Aspekten der Salonorchester und ihrer Musik auch die Vernissage der Ausstellung «Höhenmusik. Orchester der Hotels und Kurvereine im Engadin» im Museum Alpin. Untenstehend finden Sie einige Impressionen der Tagung und der Ausstellung.

Das detaillierte Programm der Tagung entnehmen Sie bitte dem hier verlinkten Flyer. Ausserdem finden Sie hier das Plakat zur Ausstellung.

Einen Artikel in der Südostschweiz zur Ausstellung finden Sie hier.

Die Ausstellung kann vom 6. Juni bis 22. Oktober 2022 und 19. Dezember 2022 bis 15. April 2023 im Museum Alpin Pontresina besucht werden (Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 15.30 bis 18.00 Uhr) – weitere Informationen finden Sie hier.

Organisiert und kuratiert vom Institut für Kulturforschung Graubünden und dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Basel.

Das Buch zur Ausstellung können Sie direkt über das Musikwissenschaftliche Seminar (sekretariat-mws@clutterunibas.ch) bestellen. Der Band kostet 20 Franken, exkl. Versandgebühren. Weitere Informationen finden Sie hier.


Neuerscheinung: "Salonorchester in den Alpen"

Mathias Gredig, Matthias Schmidt, Cordula Seger (Hg.)

An Kurorten und in Grandhotels der Alpen sorgten ab den 1860er-Jahren zahlreiche Salonorchester für musikalische Unterhaltung. Vierzehn unterhaltsame Essays erkunden unbekannte Aspekte dieses faszinierenden Phänomens. Dabei reicht ihre Bandbreite von Saxofonklängen bei Skisprungschanzen über die Abstimmung von Klangfarben in Orchesterarrangements bis hin zu Opern ohne Gesang. Auch die Musikgeschichte der abgelegenen Engadiner Hotels Val Sinestra und Maloja Palace kommt zur Sprache sowie Transport-, Verpflegungs- und Geldprobleme von Konzertmeistern, Tanzgewohnheiten in hochgelegenen Hotels, das Lied einer altägyptischen Mumie in St. Moritz und Wanderwege von Musikerinnen und böhmischen Geigern.