Chronik MWS
1900
Habilitierung von Karl Nef (1873–1935) an der Universität Basel. Neben Fächern wie Musiktheorie, -ästhetik , -kritik und Aufführungspraxis legt er seinen Forschungsschwerpunkt auf die (schweizerische) Musikgeschichte. Sein Buch Einführung in die Musikgeschichte (1920) wird bis in die 1960er Jahre nachgedruckt und erfährt zahlreiche Übersetzungen. Er beginnt seine Lehrtätigkeit mit der Vorlesung "Geschichte der Instrumentalmusik bis zum Tode Beethovens". Das Unterrichtsausmass beträgt zwei Wochenstunden.
1906
Der zweite Kongress der Internationalen Musikgesellschaft wird vom 25. bis 27. September in Basel abgehalten.
1909
Ernennung Karl Nefs zum ausserordentlichen, 14 Jahre später zum ordentlichen Professor.
1910
Im Sommersemester 1916 liest Karl Nef zum ersten Mal als ausserordentlicher Professor. Das Unterrichtspensum beträgt nun vier Wochenstunden.
1911
Karl Nef beantragt in einem Brief an die Kuratel die Gründung eines musikwissenschaftlichen Seminars, um darin eine 'musikwissenschaftliche Handbibliothek' einrichten zu können. Sein Ansuchen wird vorerst mit der Begründung abgelehnt, dass nur Inhabern gesetzlicher Lehrstühle die Errichtung von Seminaren gestattet wird. Ein zweites Gesuch vom November 1911 über die Philosophische Fakultät ist erfolgreich.
1912
Die Kuratel genehmigt am 4. Januar die Gründung eines Musikwissenschaftlichen Seminars, das im Sommersemester am Rheinsprung 21 mit Nef als erstem Vorsteher eröffnet wird. Zur Verfügung werden CHF 250.-, ein Flügel und ein paar Bücher gestellt. 27 Studierende sind zu diesem Zeitpunkt eingeschrieben. Mit Hilfe der Behörden und des Basler Gesangvereins wird der Aufbau einer Fachbibliothek innerhalb weniger Jahre erreicht. Weitere Ankäufe und grosszügige Schenkungen (u.a. aus dem Nachlass von Eduard Bernoulli) vergrössern mit der Zeit den Bestand.
1916
Theodor Gerold beginnt seine vierjährige Tätigkeit am Musikwissenschaftlichen Seminar. Durch ihn werden zum ersten Mal Veranstaltungen zur Musik vor 1600 abgehalten. Mit Gerold werden die wöchentlichen Unterrichtsstunden auf sechs erweitert.
1920
Übersiedlung des Seminars an den Stapfelberg 7/9. Das Collegium Musicum beginnt seine fast 50 Jahre währende Tätigkeit.
1921
Habilitierung von Wilhelm Merian, der daraufhin seine Unterrichtstätigkeit am Seminar beginnt.
1924
Erneuter Umzug, diesmal in den 'Rollerhof' auf dem Münsterplatz 20. Jacques Handschin wird habilitiert. Vom 26. bis 29. September findet in Universität und Seminar der Kongress der Internationalen Musikgesellschaft zur Feier des 25jährigen Bestehens der Ortsgruppe Basel der Schweizerischen Musikgesellschaft statt. Organisation und Leitung liegen in den Händen von Wilhelm Merian.
1926
Das Seminar muss ein weiteres Mal umziehen. Im 'Segerhof' am Blumenrain 17 findet es allerdings auch keine dauerhafte Unterkunft, denn das Haus wird wenige Jahre später abgerissen.
1930
Ernennung von Jacques Handschin und Wilhelm Merian zu ausserordentlichen Professoren.
1934
Erneuter Ortswechsel des Seminars an den St. Alban-Graben 6.
1935
Karl Nef stirbt. Ihm folgt Jacques Handschin, der zudem als Organist der Martinskirche tätig war, als ordentlicher Professor und Vorsteher des Musikwissenschaftlichen Seminars nach. Sein Interesse gilt der Musikgeschichte und der Vergleichenden Musikwissenschaft. Handschin pflegt auch den Kontakt und Austausch mit ausländischen Fachkollegen, indem er ab 1935
Vortragszyklen mit Professoren aus Paris, Jerusalem, Barcelona und anderen Städten veranstaltet.
1936
Handschin erwirbt, aus Mitteln der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel, eine fotografische Reproduktionsausrüstung, mit der handschriftliche Quellen und Bücher fotografiert werden können, sowie ein Lesegerät. Dies legt den Grundstock für das Mikrofilmarchiv, das bis heute eine Sammlung von über einer Million Aufnahmen vor allem mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften und Drucke umfasst.
1939–1940
Das Musikwissenschaftliche Seminar findet während Umbauarbeiten am neu zugewiesenen Standort Leonhardskirchplatz eine provisorische Unterkunft in der Mittleren Strasse 33.
1940
Übersiedlung des Seminars an den Leonhardskirchplatz 5.
1947
Habilitation von Arnold Geering. Einst Schüler von Nef und Handschin, tritt Geering als Konzertsänger auf und unterrichtet an der Schola Cantorum Basiliensis. 1950 wird er Professor für Musikwissenschaft an der Universität Bern.
1949
Der vierte Kongress der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft findet vom 29. Juni bis 4. Juli in Basel statt. Die Organisation übernimmt die Schweizerische Musikforschende Gesellschaft, Ortsgruppe Basel.
1955
Handschin stirbt. Die Suche nach einem Nachfolger erweist sich als langwierig, bis
1958
Leo Schrade, der an der Yale University Professor war, die Leitung des Seminars übernimmt. Schrade wandelt noch im gleichen Jahr das Seminar in ein universitäres Institut um.
1960
Das Institut für Musikwissenschaft bezieht seinen heutigen Standort am Petersgraben 27.
1964
Leo Schrade stirbt unerwartet.
1967
Annähernd drei Jahre dauern die Berufungsverhandlungen, die schliesslich Hans Oesch als neuen Lehrstuhlinhaber bestimmen. Nach anfänglichen Studien zur Musikgeschichte des Mittelalters spezialisiert sich Oesch später auf die Musik des 20. Jahrhunderts und Musikethnologie. Feldforschungsreisen führen ihn unter anderem nach Indien und Indonesien; er wird zum Experten für balinesische Musik. Sein Buch Aussereuropäische Musik (Teil 2), (1987) wird 1990 von der International Musicological Society ausgezeichnet.
1970
Habilitation von Wulf Arlt, der im gleichen Jahr (bis 1978) die Leitung der Schola Cantorum Basiliensis übernimmt. 1972 wird er zum ausserordentlichen Professor ernannt.
1977
Max Haas wird habilitiert und 1982 zum ausserordentlichen Professor ernannt (Pensionierung 2005) .
1991
Hans Oesch wird emeritiert. Wulf Arlt erhält das Ordinariat und wird neuer Vorsteher des Instituts .
1992
Hans Oesch, der seit 1986 als Koordinator der wissenschaftlichen Forschung in der Paul Sacher Stiftung tätig war, stirbt .
1994
Anne C. Shreffler ist als Professorin für neuere Musikgeschichte am Institut tätig, zunächst als Extraordinaria, ab 1997 als Ordinaria, bevor sie 2003 an die Harvard University berufen wird.
1999
Peter Gülke übernimmt ein Extraordinariat für 'Musikwissenschaftliche Interpretation und musikalische Praxis' (bis 2002) .
2001
Auf Initiative von Anne C. Shreffler und Anselm Gerhard (Universität Bern) finden zum ersten Mal die seither regelmässig abgehaltenen Graduiertenkurse der schweizerischen musikwissenschaftlichen Institute in Blonay statt.
2002
kommt eine Abmachung zwischen Universität (Philosophisch-Historische Fakultät) und Musik-Akademie (Hochschule für Musik, Schola Cantorum Basiliensis) zustande. «Die gegenseitige Öffnung des Studiums bildet die Basis der Vereinbarung. Die Studierenden der Universität und der Musik Akademie haben damit einen klar geregelten Zugang zu den Ausbildungsangeboten der Partnerinstitution. Auf Seiten der Universität eröffnet dies vor allem den Studierenden der Musikwissenschaft ein breites und vielseitigeres Lehrangebot. Mittelfristig streben Universität und Musik-Akademie die Zusammenführung von Lehrangeboten in Fächern an, die von beiden Institutionen überschneidend angeboten werden.» (Jahresbericht der Universität Basel 2002)
2005
erfolgt gemäss der 'Bologna-Reform' von 1999 die Einführung des umstrittenen Bachelor- und Masterstudienprogramms an der Philosophisch-Historischen Fakultät .
2006
Am Musikwissenschaftlichen Institut wird die historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Anton Webems ins Leben gerufen.
2007
Matthias Schmidt erhält das Ordinariat für neuere Musikgeschichte. Wulf Arlt wird emeritiert.
Quelle: Dorothea Grabner: "Chronik", in: Momentaufnahmen. 100 Jahre Musikwissenschaft an der Universität Basel, 2010, S. 10–16.