Die Organisation des Spiels. Spielbasierte kreative Interaktionen zwischen musikalischen Akteuren

«Process, not object» – eine spieltheoretische Analyse indeterminierter Musik

Seit 2013 entwickle ich eine spieltheoretische Analyse von indeterminierten Werken (SNF-Projekt Fokus Darmstadt).
Als historischer Referenzpunkt dient John Cages Vorlesungstrias Composition as Process (1958), deren Rezeption
und Nachwirkung besonders anhand der Kollaboration «seines» Idealinterpreten David Tudor mit
europäischen Komponisten (Sylvano Bussotti, Henri Pousseur, Cornelius Cardew u.a.) untersucht wird. Ziel
ist, den vorherrschenden philologisch geprägten Diskurs über die Werk- und Notationsästhetik post-serieller
Musik produktiv zu hinterfragen und im Sinne eines Performative turn die mit einer Interpretation verbundenen
künstlerisch-kollaborativen Interaktionen und Entscheidungsprozesse in den Mittelpunkt zu stellen (u.a. mit
Probanden der HSM Basel und der Lucerne Festival Academy). Dabei zeigen sich Cages Maximen «process,
not object» und «use the score as a tool» als kompatibel mit aktuellen Ansätzen der Performance Studies (z.B. Lydia
Goehr, Nicholas Cook, Paulo de Assis).
Die für diese Untersuchung entwickelte Methodik stützt sich auf Begriffe und Mechanismen der mathematisch
begründeten Spieltheorie, genauer: auf deren Anwendung und Verbindung mit Systemtheorie in der Soziologie
und mit Kybernetik im zeitgenössischen Game Design. Letzteres schafft eine Verbindungslinie zu zeitgenössischen
musikalischen «Spieldesigns», also ästhetischen Anwendungen der Spieltheorie: Angefangen mit Iannis
Xenakis und Christian Wolff, über künstlerische Kollektive der 1960er- und 70er-Jahre (z.B. Selten gehörte Musik,
Vinko Globokar, John Zorn oder George Lewis) bis hin zu neusten Kompositionen von Bernhard Lang, Marko
Ciciliani, James Saunders u.a.
Darüber hinaus birgt die spieltheoretische Systematik ein generatives Potential, indem beispielsweise unterschiedliche
Informationsstände, Anreizsysteme oder Kooperationsgrade neuartige und hybride Organisationsformen
von komponierter und/oder improvisierter Musik eröffnen. Die Aktivierung solcher spielerischen
Handlungspotentiale (Agency) prägt gegenwärtige Diskurse über die gesellschaftliche und politische Relevanz
von Spielen, z.B. Games as Empowerment (u.a. Katie Salen) und Critical Game Design (Mary Flanagan). Einige
Möglichkeiten habe ich bzw. haben Komponist/innen meiner Generation in jüngster Zeit erprobt, was zum
Abschluss der Dissertation mit Ansätzen einer Artistic Research dargestellt werden soll.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt:
https://www.fhnw.ch/de/forschung-und-dienstleistungen/musik/hochschule-fuer-musik/projekte/fokus-darmstadt

 

DoktorierenderMichel Roth
Erstbetreuer*inMatthias Schmidt
Zweitbetreuer*inGeorges Starobinski, HSM Basel
Drittbetreuer*in

Michael Kunkel

 

 

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