MWS-Exkursion in Wien, Oktober 2021

Im Rahmen der Übung «Jüdische Moderne in Wien» unternahm das Musikwissenschaftliche Seminar im Oktober 2021 eine Exkursion nach Wien und spürte dort den Verstrickungen von Wiener Moderne und jüdischem Leben nach.

Datum der Exkursion: Dienstag, 19. Oktober bis Freitag, 22. Oktober 2021
Teilnehmer*innen: Prof. Dr. Matthias Schmidt, Jaronas Scheurer; Nina Schaad, Patricia Klarer, Noemi Leoci, Judith Beckschäfer, Lucas Gassilloud, Jonathan Inniger.

 

Programm:

Tag 1. 19. Oktober 2021: Die meisten Teilnehmer*innen reisten zusammen per Nachtzug nach Wien. Am Dienstagmorgen trafen sich dann alle im altehrwürdigen Café Diglas in der Wiener Innenstadt. Nach diesem ersten Kontakt mit der Wiener Kaffeehaustradition stand ein Besuch des Stadttempels an, der jüdischen Synagoge in der Seitenstettengasse. Dort kamen wir in den Genuss einer spannenden Führung durch die Räumlichkeiten und waren vor allem äusserst beeindruckt von dem grossen, klassizistischen Gebetsraum aus dem Jahre 1826.

Von der Seitenstettengasse aus spazierten wir einmal dem Ring entlang bis zum Karl Lueger-Denkmal, über das zurzeit heftig diskutiert wird. Karl Lueger war nicht nur von 1897-1910 Bürgermeister der Stadt Wien, sondern auch glühender Antisemit und Vorbild für Adolf Hitler.

Am Nachmittag wurden wir sehr herzlich von Professor Gerold Gruber im exil.arte – Forschungszentrum für verfolgte Musik begrüsst. Gruber führte uns durch die aktuelle Ausstellung zu Martha Eggerth und Jan Kippura und zeigte uns danach vor allem einige Schätze aus der Nachlass-Sammlung des Exilarte.

Als Abendprogramm stand ein Besuch im Grossen Saal des Musikvereins an. Im beeindruckenden, goldverzierten Saal spielten die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Andres Orozco-Estrada das Oratorium «Die Jahreszeiten» von Joseph Haydn. Auch wenn das Stück jetzt nicht wirklich etwas mit unserem Thema zu tun hatte, war es ein eindrückliches Erlebnis die Wiener Symphoniker mal in ihrer altehrwürdigen Wirkungsstätte erlebt zu haben.

Tag 2, 20. Oktober 2021: Am nächsten Morgen trafen wir uns vor dem Arnold Schönberg Center. Die guten Kontakte von Matthias Schmidt bescherten uns einen Workshop mit Therese Muxeneder, der Archivarin des Centers. Sie zeigte uns einige Manuskripte von Schönberg, in denen er sich auch mit dem Judentum auseinandersetzte, und führte uns durch das Archiv, wo wir unter anderem die persönliche Schallplattensammlung von Schönberg bewunderten.

Am Nachmittag wurden wir von Frau Heuberger, einer staatlich anerkannten Fremdenführerin (ja, dafür gibt es in Österreich eine amtlich anerkannte Befähigungsprüfung), durch das «Jüdische Wien» geführt. Wir starteten auf dem Judenplatz, wo wir uns das Holocaust-Mahnmal von Rachel Whiteread und die antisemitische Inschrift auf dem Jordanhaus anschauten. Danach ging es weiter durch das spätmittelalterliche jüdische Viertel im Ersten Bezirk, bevor wir über den Donaukanal ins heutige jüdische Viertel, den Zweiten Bezirk hinüberwechselten.

Das Abendessen nahmen wir gemeinsam im Stadtheurigen Zwölf-Apostelkeller zu uns: Ein traditionelles, wienerisches Kellerrestaurant inklusive Stehgeiger. Einige von uns gönnten sich danach noch einen «Schlummertrunk» im legendären Café Hawelka.

Tag 3, 21. Oktober 2021: Zu einer Exkursion zur jüdischen Geschichte Wiens gehört selbstverständlich ein Besuch im Jüdischen Museum Wien. Während unserem Besuch wurde gerade eine Ausstellung zu den Salzburger Festspiele gezeigt, die 2020 ihr 100-jähriges Jubiläum feierten. Die Festspiele wurden 1920 von dem österreichisch-jüdischen Intendanten, Regisseur und Schauspieler Max Reinhardt gegründet. 1938 wurden alle jüdischen Mitwirkenden verbannt und die Festspiele wurden zu einer «deutschen» Sache. Der Kurator der Ausstellung, Marcus G. Patka, führte uns durch die Ausstellung und gewährte uns einen interessanten und äusserst fachkundigen Einblick in die wechselhafte Geschichte der Salzburger Festspiele.

Danach fuhren wir aus der Stadt hinaus zum Zentralfriedhof. Bevor wir den Friedhof betraten, genehmigten wir uns noch ein typisches Wiener Mittagessen, inklusive Wiener Schnitzel und Eismarillenknödel, im Restaurant Concordia-Schlössel gerade gegenüber dem Friedhofstor.

Nachdem wir uns so gestärkt hatten, spazierten wir durch den alten jüdischen Friedhof. Wir stiessen auf einige bekannte Gräber – z.B. das Ehrengrab des ehemaligen Kantors der Synagoge Salomon Sulzer, suchten bestimmte Gräber auf – z.B. das Grab von Bianca Bienenfeld, der ersten Gynäkologin Österreichs und der Schwester der Musikkritikerin Elsa Bienenfeld – und liessen einfach die geschichtsträchtige Stimmung auf uns wirken.

Am Abend besuchten wir eine Inszenierung der «Fledermaus» von Johann Strauss in der Volksoper und konnten da unsere Ohren an den eingängigen Melodien der Goldene Operettenära ergötzen und den Wiener Humor v.a. in der Figur des Gefängniswärters Frosch geniessen. Wohl für alle Teilnehmer*innen war das ein würdiger und äusserst amüsanter Schlusspunkt für eine interessante und abwechslungsreiche Wien-Reise.

Tag 4, 22. Oktober 2021: Da wir schon am Mittag des 22. Oktober zurückfuhren, blieb am Vormittag nur noch Zeit für ein letztes Mal Frühstück im Kaffeehaus (natürlich mit Wiener Mélange und Kipferl) und einen Bummel durch die Stadt.

 

Bericht: Jaronas Scheurer

Fotos: Exkursions-Teilnehmer*innen