21 Okt 2025
18:15

MWS Vortragssaal

Gastvorlesung / Vortrag

Vortrag

Dr. Carlo Bosi: Höfische Nachtmusikspektakel: Neue und ungewöhnliche Perspektiven auf die "Grandes Nuits de Sceaux" (1714/15)

Die von der Herzogin von Maine Anne-Louise-Bénédicte de Bourbon-Condé (1676-1753) veranlassten Divertissements de Sceaux, multimediale Schauspiele aus Sprechtheater, Poesie, Tanz, Kantate und Oper, bestimmten im Frankreich der ersten 15 Jahre des 18. Jahrhunderts den goût, den künstlerischen «Geschmack» der Post-Lully Ära, weg von der zunehmend schwermütigen Stimmung in Versailles, wo ein alternder Sonnenkönig, Schwiegervater der Herzogin, dem frömmlerischen Einfluss von Madame de Maintenon, seiner letzten Mätresse und Frau, erlegen war.

Spektakulärer Höhepunkt dieser divertissements sollen die sechzehn Grandes Nuits de Sceaux werden, die in mehr oder weniger regelmässigem zeitlichem Abstand zwischen 1714 und 1715 stattfanden. Jede Nuit kreiste thematisch um ein bestimmtes Sujet, musikalisch durch drei verschiedene intermèdes veranschaulicht. Häufig waren die Themen der klassischen Mythologie entnommen, aber in anderen Fällen war die Inspirationsquelle eher ausgefallener. Bemerkenswert sind speziell die 10. durch die 12. Nuit, mit Themen rund um Alchemie, Magie und Okkult. Die 11. Nuit, insbesondere, sticht als eine der ganz wenigen hervor, die aus einer einzigen Darstellung bestand. Dies war Le Comte de Gabalis et les peuples élémentaires von Pierre-François Godard de Beauchamps (1689-1761), mit Musik, leider verschollen, von Thomas-Louis Bourgeois (1676-1750) und Choreografie des Tanzmeisters Claude Ballon (1671-1744). Vorlage des Textes war Le Comte de Gabalis ou Entretiens sur les sciences secrètes (1670), von Henri de Montfaucon, abbé de Villars (um 1638-73), eine Abfolge von fünf Dialogen zwischen einem spirituellen Lehrer und seinem Schüler über die Natur von Elementargeistern. Auch wenn die Bedeutung des Werks heute noch recht umstritten ist (von sozialer Satire bis voraufklärerische Polemik gegen den Okkult), galt es zu Beginn des 18. Jahrhunderts überwiegend als ein rosenkreuzerischer Text kabbalistischer Natur und, mit zahlreichen Editionen und Neudrucken bis ca. 1800, hatte einen nicht zu unterschätzenden Nachhall in der Kultur der nachfolgenden Jahrzehnte. Noch relativ unbeleuchtet ist wiederum die inhaltliche und strukturelle Beziehung zwischen dem Text von Villars und dem Libretto von Godard de Beauchamps und die Rolle die Musik und Tanz, auch im Allgemeinen repräsentativen und idealen Kontext des Hofes von Sceaux, haben dabei spielen können.


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