24 Sep 2024
18:15

MWS Vortragssaal

Gastvorlesung / Vortrag

Vortrag

Michael Rappe: «Von den Steinen in den Bächen und den Schattenlöchern, die sie zeigen.» Geschichte und Entwicklung der Hip Hop-Kultur in Deutschland.

Michael Rappe

Die Anfänge der Hip-Hop-Kultur im Deutschland der 1980er Jahre scheinen schwer fassbar: Schnell gewinnt man bei der Recherche, in Gesprächen und Interviews mit den Akteur:innen der ersten Generation den Eindruck eines Emergierens aus einer Fülle von biografisch gebundenen Einzelereignissen – immer wieder werden unterschiedliche Startpunkte reklamiert, andere Orte, Konzerterlebnisse oder mediale Momente stark gemacht. Auf der Suche nach einer Erklärung dieses Phänomens stiessen wir auf die Arbeit des aus Martinique stammenden Autors, Theoretikers und Philosophen Édouard Glissant. Seine theoretischen Konzepte, vor allem das des Archipels, als Aneinanderreihung verschiedener, unterirdisch miteinander verbundener und von Wasser umflossener Inseln ohne Zentrum, schienen uns hilfreich, das Emergieren und unvorhergesehene In-Beziehung-Setzen scheinbar unverbundener Elemente als kulturelle Werdens-Prozesse begreifbar zu machen.

Vor diesem Hintergrund zeichnet der Vortrag die Entwicklung der Hip Hop-Kultur in Deutschland nach. Im Mittelpunkt steht dabei, wie sich aus den vielen Geschichten allmählich eine gemeinsame kulturelle Erzählung artikulierte. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Bedeutung des Hip Hop für die Kinder der so genannten ‹Gastarbeiter›. Für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen fand so etwas wie eine «natürliche Identifikation» statt, d.h. eine unmittelbare Passung der kulturellen Praktiken des Hip Hop aus den USA für die Artikulation der eigenen Situation, die sich als Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Herkunftsgeschichten und der Anerkennung hybrider, postmigrantischer Identitäten beschreiben lässt. Mit Hip Hop fanden die Protagonist:innen eine eigene Stimme - auch eine politische: gegen den ab den 1990er Jahren in Deutschland wieder erstarkenden Rassismus.

Biografie:
Michael Rappe (*1964) ist Professor für Geschichte und Theorie der Populären Musik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Schwerpunkt seines wissenschaftlichen und publizistischen Arbeitens ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Ästhetik und den soziokulturellen Bedingungen afrodiasporischer Musikkulturen. Er war Ko-Kurator der Sonderausstellung «Styles – Hip Hop in Deutschland» des rock’n’popmuseums Gronau. Darüber hinaus engagiert er sich im Bereich der Lehrerfortbildung (u.a. Goethe Institut, Bundesverband Musikunterricht e.V.) und bietet als systemischer Berater (SG) Beratungen und Einzelcoachings im Bereich der persönlichen Berufswegeplanung an. Er ist Autor und Herausgeber u.a. von «HipHop im 21. Jahrhundert» (Wiesbaden 2022) und «Lernen nicht, aber… – zur Tanz- und Lernkultur Breaking» (Münster 2023). Weitere Publikationen und Informationen unter www.michael-rappe.de.


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